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Harald Oberhofer
Head of Marketing, Retresco
Die SEO-Community ist in Aufruhr. Mal wieder. Doch diesmal nicht wegen eines neuen Google Core Updates oder weiterentwickelten E-E-A-T-Regeln. Nein, diesmal ist es größer. Denn die Karten im SEO-Spiel werden neu gemischt – und ein Haufen Buchstabensalat wie AIO, AEO, GAIO, GEO oder LLMO machen die Runde. KI-Suchen wie ChatGPT, AI Overviews, Perplexity und der neue „AI Mode“ von Google krempeln die Content-Welt um – und stellen die bisherige SEO-Welt in Frage.
Suchmaschinenoptimierung bleibt ein wichtiges Fundament. Die bekannten Disziplinen – strukturierter Content, technische Sauberkeit, interne Verlinkung, Snippet-Optimierung – funktionieren weiterhin. Wer heute noch klassisches SEO betreibt, optimiert für eine Welt, in der ein oder zwei gut platzierte Keywords unter Umständen ausgereicht haben, um gefunden zu werden.
Die neue SEO-Realität schaut anders aus: Nutzer:innen stellen Fragen und die KI antwortet. Und zwar direkt – in Form von Zusammenfassungen, Conversational Snippets oder generierten Content-Empfehlungen. ChatGPT verarbeitet inzwischen 2,5 Mrd. Prompts pro Tag, Googles AI Overviews haben weltweit mehr als 2 Mrd. monatliche Nutzer:innen. Zugleich ist der ChatGPT-ähnliche AI Mode bereits in den USA, UK und Indien verfügbar. Willkommen in der Welt der KI-Suchen!
Jede neue Welle braucht ihre Buzzwords – und davon gibt’s gerade reichlich:
Klingt nach viel – ist aber ein Stück weit alter Wein in neuen Schläuchen.
Suchmaschinen wie Google haben bislang Inhalte nach einem technischen Regelwerk gecrawlt und bewertet. Die Web Guidelines von Google („Search Essentials“) sind eine Sammlung von Empfehlungen und Regeln, die dabei helfen sollen, Inhalte so zu erstellen und zu strukturieren, dass sie für Nutzer:innen nützlich und für die Google-Suche optimal zugänglich sind.
KI-Suchen erfassen Inhalte dagegen anders – weil Frageabsichten und Fragekontext deutlich stärker berücksichtigt werden. Sie analysieren semantische Strukturen, erkennen thematische Zusammenhänge, und – das ist entscheidend – sie bewerten Inhalte auf Basis ihrer Relevanz für eine konkrete Nutzungsabsicht (Intent) und den entsprechenden Fragen.
Das bedeutet:
Wer in KI-Suchen sichtbar sein will, sollte Inhalte bereitstellen, die einzigartig, zugänglich und kontextuell relevant sind – für Menschen und Maschinen.
Nur weil eine Website bei Google auf Seite eins rankt, heißt das noch lange nicht, dass sie auch in ChatGPT oder Googles AI Overviews als Quelle auftaucht. Sichtbarkeit in klassischen Suchmaschinen ist nicht automatisch gleichbedeutend mit Relevanz für KI-Suchen. Aber warum ist das so?
KI-Suchen wie ChatGPT oder AI Overviews funktionieren anders als Google bislang: Sie generieren Antworten auf Basis großer Sprachmodelle, die Inhalte semantisch analysieren, extrahieren und in neuen Kontext setzen. Dabei zählen nicht nur Keywords oder Rankings, sondern vor allem: Kontextverständnis, Konsistenz, Autorität und strukturelle Klarheit.
Das bedeutet: Eine Top-Platzierung bei Google ist keine Garantie dafür, dass eine KI dein Content versteht, verarbeitet oder zitiert. Umgekehrt kann eine in Suchmaschinen eher unauffällige Quelle für ein Sprachmodell besonders wertvoll sein – etwa wegen klarer Gliederung, verständlicher Sprache oder tiefem Fachwissen. Es geht nicht mehr nur darum, gefunden zu werden – sondern auch verstanden zu werden.
Mit KI-Suchen entstehen neue Nutzungsmuster: Der „generative“ Intent wird deutlich wichtiger und besser als bislang erkannt. Der neue Standard im Vergleich zur klassischen Google-Suche sind längere Fragen bzw. Prompts. Gerade bei AI Overviews zeigt sich: Je ausführlicher und präziser die Suchanfrage, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass eine generative Antwort ausgelöst wird. Das Suchverhalten verlagert sich – weg von Schlagworten, hin zu ganzen Problemstellungen.
Nutzer:innen geben durch ihre Fragen deutlich mehr Kontext und Details zu ihrer Absicht mit – weit mehr, als es bislang Suchanfragen mit einigen wenigen Keywords je taten. Dieses neue Suchverhalten trifft jedoch oft auf eine Content-Landschaft, die noch ein ganzes Stück weit auf knappe Keywords optimiert ist. Dadurch entstehen „Content-Lücken“.
Stattdessen sind hyperspezialisierte Inhalte für die Optimierung erforderlich, die gezielt auf spezifische Nutzer-Personas und individuelle Bedürfnisse zugeschnitten sind. Nutzer:innen wollen Aufgaben direkt lösen – nicht mehr zur Lösung geleitet werden, sondern sie jetzt, hier, sofort erhalten.
Hier exemplarisch eine Suchanfrage:
“Finde eine vegane Tortenidee für den Geburtstag meiner Tochter, die Einhörner liebt.”
Was auf den ersten Blick nach einem simplen Rezeptwunsch aussieht, kann sich im Promptverlauf schnell verzweigen: zur Bildgenerierung („zeige mir ein Beispielbild“), zur Produktsuche („wo finde ich essbare Einhorn-Deko?“), zu einem DIY-Video, zu Ernährungstipps oder zu einer Amazon-Suche nach Torten-Zubehör.
Es gilt: Das Suchverhalten ist kontextgetrieben, situativ und multidimensional. Inhalte müssen nicht nur die ursprüngliche Anfrage bedienen, sondern auch für verwandte Kontexte anschlussfähig sein – am besten in einem einzigen, gut strukturierten Content-Stück.
SEO-Expertin Lily Ray bringt es auf den Punkt: Viele neue Abkürzungen wie GEO, AEO oder LLMO bezeichnen im Kern bekannte Ansätze – nur unter neuem Namen. Der aktuelle Hype rund um KI-Suchen befeuert eine Welle an fragwürdigen Beratungsmodellen, in denen selbsternannte KI-SEO-Gurus ihr Quick-Fix-Wissen verkaufen.
Dabei ist die Realität deutlich pragmatischer – und durchaus beruhigend: Herkömmliche SEO-Prinzipien gelten bis auf Weiteres auch im Zeitalter generativer KI-Suchen. Was sich verändert, sind die Anforderungen an Perspektiven und Methodik. Die neuen KI-Suchen erweitern das klassische Toolkit, statt es zu ersetzen. Gefragt sind ergänzende Kompetenzen wie Prompt Engineering, semantische Strukturierung, Vektor-Suchen und ein grundlegendes Verständnis für aktuelle NLP-Technologien.
SEO lebt – aber in neuer Form. Die neuen Buzzwords sind weniger ein radikaler Umbruch, sondern eher ein notwendiger Ausbau der Denkweise.
Und bis sich ein Kürzel durchsetzt? Halten wir’s mit Lily Ray: Nicht beirren lassen. Inhalte schaffen, die funktionieren. Für die Nutzer:innen, für KI, für alle.
Du hast Fragen oder Feedback? Sprich uns an – wir freuen uns auf den Austausch!